1. Feindlerthek
  2. Gedichte
  3. Ansprache der Notleidenden

Ansprache der Notleidenden

Ansprache der Notleidenden

(2009)

Wir hocken nicht am Straßenrand
und leiden dennoch große Not.
Wir haben nichts mehr in der Hand,
jetzt ist die Existenz bedroht.

Selbst dieses „Nichts“ scheint übertrieben!
Inzwischen liegen wir darunter
und nur ein Minus ist geblieben.
Wir geh’n mit Mann und Mäusen unter!

Das dürft ihr nicht geschehen lassen!
Wir fleh’n euch unter Tränen an!
Füllt euren Brüdern ihre Kassen!
Der große braucht den kleinen Mann!

Und ihr braucht uns, wollt ihr was leihen,
auch Dinge, die nicht existieren.
Ihr solltet ab und zu verzeihen,
wenn wir den Überblick verlieren.

Wir haben euch so viel gegeben –
ja quasi alles, wie ihr wisst;
vielleicht mal abgeseh’n vom Leben
(obwohl das nicht ganz sicher ist).

So lässt sich kaum der Schluss vermeiden:
Ihr seid verpflichtet, uns zu danken!
Das stärkt das Ego, wenn wir leiden.
Euch hilft nur das, was hilft den Banken.

Was legt ihr denn den Kopf so schief,
als wär’n wir gar nicht mehr zu retten?
Das Wörtchen „Not“ ist relativ:
Wir haben nicht, was wir gern hätten.