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Die Leidenschaftslosen

Die Leidenschaftslosen

(2014)

Sie kennen Gesetze, sie paragraphieren,
zitieren, statt ständig zu philosophieren
und haben ihr Dasein im Zentrum der Macht
am Schreibtisch im Beisein von Akten verbracht.

Sie denken in Nummern und schreiben in Zahlen
und lassen sich niemals von irrationalen
Gedanken bedrängen, beengen und leiten,
sobald sie politische Wege beschreiten.

Sie können die Folgen von Krisen benennen,
ganz ohne die Menschen dahinter zu kennen.
Sie fühlen nicht mit, denn für sie ist ja klar:
Empfindung kann schwanken, Statistik bleibt wahr.

Sie werden sich selten am Machtgefühl laben,
sie mögen es aber, Kontrolle zu haben,
um stets auf der richtigen Seite zu sein –
die Hauptsache ist, jemand stellt sie dort ein.

Sie dienen dem Staat, aber geben sich nie
als starke Verfechter der Demokratie.
Wozu auch? Es ändern sich schließlich mit Wahlen
zwar einzelne Posten, doch selten die Zahlen.

Ihr Ziel war es nie, Politik zu gestalten,
sie wollen nur das, was schon da ist, verwalten.
So bleibt, wenn politische Stürme auch tosen,
die Macht in den Händen der Leidenschaftslosen.