1. Feindlerthek
  2. Gedichte
  3. Plötzliche Klarsicht

Plötzliche Klarsicht

Plötzliche Klarsicht

(2017)

Ich habe Dich in einem Zug gesehen.
Du saßt in Wagen vierzehn und es war
erst um mein Großhirn, dann um mich geschehen.
Als sich die Blicke trafen, war mir klar,

dass Du die Frau bist, die mich ab sofort
auf meinem Lebensweg begleiten soll,
im Jetzt und Hier sowie im Dann und Dort –
und so entfuhr es mir: „Ich find Dich toll!

Sei Du die Korrektorin meiner Fehler,
die bess’re Hälfte, meine Schokoseite,
die Frau, mit der ich alle Stimmungstäler
des Lebens bald mit Leichtigkeit durchschreite!

Denn wenn’s ein Schicksal gibt, bist Du der Wink –
und zwar mit einem meterhohen Zaunpfahl.
Und falls ich gleich noch auf die Knie sink,
sag bitte ‚Ja’ statt zögerlich ‚Wir schnau’n mal’.

Was hindert uns daran, uns zu verbinden?
Nur eines: dass wir uns davon versprechen,
noch bessere Verbindungen zu finden.
Vergiss es! Lass uns mit den Zweifeln brechen,

denn diese Welt ist schon genug gespalten.
Drum sollten wir was Radikales wagen
und aus Prinzip schon zueinander halten –
an allen guten sowie schlechten Tagen!

Und nicht nur das: Ich will, dass unser Glück
der Grundstein sei zum Glück der ganzen Erde!
Sei Du mit mir das erste Puzzle-Stück,
die Brücke, die verbindende Gebärde,

mit der wir, wenn wir wollen, Großes schaffen –
mal Wellen schlagen, mal die Wogen glätten,
und Gräben schließen, die schon lange klaffen.
Dann werden wir die Welt samt Menschheit retten!“

So sprach ich. Aber Dir war’s völlig latte.
Du sahst mich an, ganz ohne jene Klarsicht,
mit der ich mich zuvor geäußert hatte,
und sagtest nur: „Wir kennen uns doch gar nicht.“