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Grüße aus dem Bildungsministerium

Grüße aus dem Bildungsministerium

(2008)

Ihr Schülerschaften, höret her:
Durch eure Bildung geht ein Ruck!
Denn nichts sei leicht, nun wird es schwer –
jetzt kommt der große Prüfungsdruck!

Gewarnt ist, wer bislang noch dachte,
die Bildung sei so schön und frei,
und wem es gar noch Freude machte:
Was denkt ihr Trottel euch dabei?

Ihr hofft, ihr könntet euch entfalten
und werdet sogar kreativ,
wollt individuell gestalten …
Ach je, wie putzig! Wie naiv!

Kapiert ihr nicht, was „Bildung“ heißt?
Wer gab euch all den schlechten Rat?
Wir brauchen keinen freien Geist,
er nützt bloß Menschen, nicht dem Staat.

Drum zeigt: Was habt ihr schon erreicht?
Wir woll’n es uns zu Nutze machen!
Ihr nehmt es aber viel zu leicht,
man sieht euch manches Mal noch lachen.

Aus diesem guten Grunde wollen
wir prüfen, was ihr täglich lernt.
Jetzt kommen strengere Kontrollen!
Passt auf! Sie sind nicht weit entfernt.

Wir prüfen euch in jedem Fach,
das hohe Effizienz verspricht.
Wer innehält, der gilt als schwach
und überlebt die Prüfung nicht.

Der Druck auf euch wird täglich steigen
und ist es nötig, bringen wir
den skeptischen Verstand zum Schweigen.
Fragt immer „was“ und nicht „wofür“.

So wird das Endergebnis sein,
dass unser Apparat euch lenkt:
Wir stopfen Wissen in euch rein,
bis ihr bloß schluckt und nicht mehr denkt.