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Die Altersstarre

Die Altersstarre

(2005)

Seit dreißig Jahren lehrt Herr Stein
an einer Schule Weltgeschichte
und nebenher auch noch Latein
anhand verstaubter Kriegsberichte.

Er kennt die ganzen Jahreszahlen
und weiß, was wann geschehen ist,
und alte römische Annalen
sind Dinge, die er nie vergisst.

Das Zeug kann er zwar runterbeten –
doch Spaß macht es ihm gar nicht mehr.
Herr Stein wirkt ab und zu betreten,
denn alles langweilt ihn so sehr.

Der Grund dafür ist Überdruss.
Wer jahrelang und ohne Paus
dasselbe unterrichten muss,
dem hängt es bald zum Hals heraus.

Wie schon vor neunundzwanzig Jahren
macht Stein noch heut den Unterricht.
An Neuem will er lieber sparen.
Veränderungen gibt es nicht.

Ihm fehlt die Lust – das ist das Schlimme.
Dies zeigt sich ständig, Tag für Tag:
Er spricht mit monotoner Stimme.
Man merkt, dass er sein Fach nicht mag.

Die Schüler haben rasch kapiert:
Steins Stunden, die sind öd und fad.
Drum sind sie selten int’ressiert.
Sie schlafen oder spielen Skat.

Anmerkung:
Es können manche Stimmungslagen
sich wie ein Virus übertragen.