1. Feindlerthek
  2. Gedichte
  3. Bus-Beobachtungen

Bus-Beobachtungen

Bus-Beobachtungen

(2006)

Man kann bei einer langen Fahrt im Bus,
anstatt gelangweilt vor sich hin zu stieren,
die Zeitgenossen – das ist fast ein Muss –
in aller Ruhe endlich mal studieren.

Ganz vorne sitzt ein Mann mit tiefen Falten
und ernsten, strengen Zügen im Gesicht.
Was soll man bloß von dieser Miene halten?
Eventuell reicht seine Rente nicht …

Er hat nun vor, zum großen Park zu fahren.
Dort steht die Bank, auf der er immer sitzt.
Ich glaub, er fährt die Strecke schon seit Jahren
und weiß wohl selbst nicht, ob ihm das was nützt.

Dahinter sitzen, cool und jugendlich,
drei Jungen, welche von Computern sprechen.
Den Alten stört das, so vermute ich.
Er wirkt, als würd er gern Bill Gates erstechen.

Ein Junge hält ein Handy in der Hand,
probiert die neu’sten Klingeltöne aus.
Die Jugendlichen sind mir längst bekannt.
Sie fahren von der Schule grad nach Haus.

Nicht weit davon sitzt – wie ich sehen kann –
ein Fräulein, stark geschminkt, mit blondem Haar.
Die Zunge steckt im Hals von einem Mann,
der letzte Woche noch ein andrer war.

Das Mädchen fährt sehr oft – soweit ich weiß –
mit einem Kerl zum Shoppen in die Stadt.
Auf neue Schuhe ist sie nämlich heiß.
Doch selbst dafür zu zahlen hat sie satt.

Ein Herr im Anzug ist besonders schick
gekleidet. Seine Armbanduhr zeigt drei.
Jetzt fährt er in die Firma wohl zurück.
Denn seine Mittagspause ist vorbei.

Führ man am nächsten Tag um diese Zeit
die gleiche Strecke, säh’s kaum anders aus.
Erlebt man’s einmal, weiß man schon Bescheid.
Der Alltag wiederholt sich ohne Paus.

So seh ich das und frag mich dann und wann:
Wo endet für die Leute diese Reise?
Es gibt kein Ziel. Sie kommen niemals an.
Wer hier im Bus fährt, der fährt meist im Kreise.