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Die Abgehängten

Die Abgehängten

(2016)

Wir haben lange zugeseh’n
und einiges ertragen,
als würden wir nicht viel versteh’n
und hätten nichts zu sagen.

Auch sind wir weder taub noch stumm –
wir haben bloß geschwiegen.
Fast halten wir uns selbst für dumm,
das scheint uns gut zu liegen.

Wir sind der Dreck, der Bodensatz,
die immerzu Verdrängten.
Für uns ist eigentlich kein Platz.
Wir sind die Abgehängten.

Es liegt in unserer Natur,
dass ihr uns stets verachtet.
Wir sind die Menschen, die ihr nur
von oben gern betrachtet.

Ihr habt uns leider nie für voll
und selten ernst genommen;
und als das Fass heut überquoll,
habt ihr’s nicht mitbekommen.

Doch wenn ihr morgen zu uns sprecht,
so werdet ihr bemerken:
Verachtung hat uns erst geschwächt,
sie wird uns bald schon stärken.

Denn hat man nichts mehr zu verlier’n,
bleibt nur, nach vorn zu flüchten.
Aus Angst, die wir schon lange spür’n,
wächst Zorn mit sauren Früchten.

Ihr habt uns ständig weisgemacht,
die Angst sei unbegründet,
nur habt ihr leider nicht bedacht:
Wer Ängste sucht, der findet.

Doch suchen wir nicht rational –
wer fühlt, hat stärk’re Waffen.
Denn Emotion braucht keine Zahl,
um Fakten zu erschaffen.

Wir haben viel mit euch gemein,
auch ihr seid Egoisten.
Es würde uns ein Leichtes sein,
die Fälle aufzulisten,

in denen ihr von „Werten“ spracht,
solange sie euch stützten,
und manchmal Menschenrechte bracht,
wenn diese euch nicht nützten.

Ihr wisst doch selbst: Ihr wart nur dann,
wenn’s euch was brachte, ehrlich.
Wir knüpfen heute daran an
und das macht uns gefährlich.

Wir haben eine Menge vor,
als Erstes: zu zerstören.
Ein kleiner Ratschlag: Seid ganz Ohr.
Ihr werdet von uns hören.