Die Hand

Die Hand

(2013)

Guten Tag, Herr Intendant, ich bedanke mich für die Ehre,
dass ich über Sie berichten darf!
Und dann aus diesem Anlass – zu heutigen Premiere!
Da komm ich gerne, auch mit Fotograf.
Ja, wie Sie schon sagten: Der Abend wird recht lang,
denn später wird mit allen angestoßen
mit äußerst edlem Alkohol bei einem Sektempfang,
Sie zählen schließlich zu den wirklich Großen!
Und machen Sie sich bitte keine Sorgen
bezüglich der Premieren-Rezension.
Der Text erscheint dann gleich am Montagmorgen,
gewiss mit sehr viel Lob im besten Ton.

Denn:
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
weil man sonst daran erstickt.
Und deshalb ist es stets gesünder,
wenn man freundlich nickt.

Guten Abend, Herr Minister! Ich bin ehrlich hocherfreut,
dass wir uns mal endlich wiederseh’n!
Bei diesem Wirtschaftsgipfel genieß ich hier und heut
zwischen hohen Tieren rumzusteh’n.
Auf solche Treffen kann ich auch in Zukunft nicht verzichten,
ich mag es, als Reporter exklusiv
aus nächster Nähe und nicht bloß von Ferne zu berichten,
mein Chef bewertet das sehr positiv.
Sie fragen mich, woran ich grade schreibe?
Ach, wissen Sie, das ist doch völlig gleich.
Solange ich in diesen Kreisen bleibe,
schreibe ich als einer von Euch!

Denn:
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
weil man sonst daran erstickt.
Und deshalb ist es stets gesünder,
wenn man freundlich nickt.

Ich wirke manchmal abgehoben oder elitär,
doch weiß ich auch, wie dumm Distanz für mich beruflich wär.
Und nur mit dem direkten Draht – unter anderm nach Berlin –
kann ich alles, was passiert, wirklich nachvollzieh’n.
Ganz egal, worüber ich bis heute schrieb
und wohin mich mein Beruf auch trieb –
überall hatten mich die Leute lieb,
denn ich folgte dem Prinzip:

Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst verschluckt man sich daran.
Außerdem weiß ich, dass mir diese Hand
den Weg nach oben weisen kann.
Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht,
sonst wird die Luft noch knapp.
Und wenn die Hand mir nützen soll,
lecke ich sie lieber ab!