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Eine einschneidende Erfahrung

Eine einschneidende Erfahrung

(2005)

Der Paul geht in die Klasse eins
und liest schon flüssig, dass es klingt.
Bei Kinderbüchern gibt es keins,
das dieser Junge nicht verschlingt.

Die Eltern freut das, denn sie meinen:
„Ach, lesen kann man nie genug.“
und „Fördern müssen wir die Kleinen!
Aus Büchern wird ein jeder klug!“

So kommt’s, dass Paul zum Lesen neigt,
als würde es nichts Bessres geben.
Längst sind die Eltern überzeugt:
„Der Junge lernt was für sein Leben.“

Sie sagen täglich: „Paul, du weißt,
dass du aus Büchern vieles lernst!“
Der Sohnemann, der nickt nur meist
und nimmt den guten Rat stets ernst.

Die Eltern sollten Recht behalten,
doch ging der Schuss nach hinten los.
Denn Bücher, die als harmlos galten,
gerieten fast zum Todesstoß.

Der Paul schnitt nämlich irgendwann
‘nem Kleinkind dessen Daumen ab.
Es lutschte träumend grad daran –
da kam die Schere – Schnipp und Schnapp!

Die Nachbarn riefen nebenan
aufgrund des Schreis den Krankenwagen.
Man nähte beide Daumen an,
die blutend auf dem Boden lagen.

Das Tatmotiv war undurchsichtig.
Doch Paul bemerkte dazu später:
„Was war denn bloß daran nicht richtig?
Das stand doch so im Struwwelpeter …“