Hoher Besuch

Hoher Besuch

(2006)

Der Herr geht in der weiten Welt
ganz gern spazieren und gesellt
sich zu den Menschen, die er schuf.
Er isst und trinkt und lacht mit diesen,
steht ihnen bei in manchen Krisen,
wie auch in Alltag und Beruf.

So kommt er zwischendurch nach Rom
(zum großen Platz am Petersdom),
besucht die Papstaudienz im Freien,
sieht all das Gold und all die Pracht
und wie die Kirche sich so macht
mit Priestern, Geistlichen und Laien.

Getümmel gibt’s da immer wieder
und alte religiöse Lieder
und Rosenkränze auch en masse.
Und während hier so mancher singt,
steht Gott, von Pilgern eng umringt,
dazwischen und besieht sich das.

Die Menschen jubeln hier in Scharen.
Der Papst kommt schließlich angefahren
in einer schwarzen Limousine.
Von dort aus steigt er unversehrt
dann auf ein weiteres Gefährt
und zeigt die würdevollste Miene.

Im neuen Wagen bringt man ihn
zu einem großen Baldachin,
der eine Bühne überdacht.
Ein Haufen Priester steht da schon,
genauso wie des Papstes Thron,
von Schweizer Narren gut bewacht.

Der Papst spricht schließlich ein Gebet
(er wirkt wie eine Majestät)
und rasch wird alles um ihn leiser.
Der Herr – er steht noch im Gedränge –
wird selbst nun Zeuge, wie die Menge
den Papst verehrt wie einen Kaiser.

Die gleiche Show – mit Schall und Rauch –
gab’s bei den letzten Malen auch.
Gott wird gepriesen und geehrt,
man wünscht: „Schenk uns Bescheidenheit!“
Und jeden Tag zur gleichen Zeit sieht Gott:
Hier läuft so viel verkehrt …

Denn wohl ist ihm bei all dem nicht,
er mag es nämlich lieber schlicht.
Den Prunk hat er ja stets verneint.
Und predigt jener Mann in Weiß,
so fragt der Herr im Innern leis:
„Ist hier ein andrer Gott gemeint?“