Küchensitzung

Küchensitzung

(2012)

Wir sitzen zu viert in der Küche von unserer WG in Berlin.
Das einzige, was wir vermissen, ist ein Kamin.
Acht Kronkorken liegen am Boden, das letzte Bier ist bald geleert.
Den Abend zu Haus zu verbringen, war nicht verkehrt.
Wir sind noch lange nicht müde, es gibt ja so viel zu bereden,
zum Beispiel zur Leere im Kühlschrank, über Frauen, über alles und jeden.
Das Studium läuft, die Beziehung nur halb, beruflich steht auch noch nichts fest.
Vielleicht wird es klarer, wenn man uns mal mit Abschluss ins Leben entlässt.
Bis dahin woll’n wir uns hüten, den Kopf zu früh zu verlier’n.
Drum werden wir unsre Gedanken äußern und laut diskutier’n.

Wir sitzen zu viert in der Küche und sprechen übers Leben an sich,
es ergibt sich dabei nicht viel Neues unterm Strich.
Und somit reden wir schließlich von der Rentnerin gleich nebenan,
die schon seit Monaten kaum noch hinausgehen kann.
Sie ist ja nur schwer in der Lage, die Beine zur Tür zu bewegen,
und niemand scheint sich zu kümmern, die alte Dame zu pflegen.
Dem Staat sind die Rentner anscheinend egal, weshalb er sie bloß ignoriert.
Das wird sich noch rächen, bald zeigt sich gewiss, wohin diese Politik führt.
Die Fehler sind zwar offensichtlich, doch die Nachbarin bleibt wohl allein.
Wir fragen uns: Wie können Menschen so herzlos und untätig sein?

Wir sitzen zu viert in der Küche und fühlen uns heute sehr klug,
wir haben von dieser Regierung längst schon genug!
Probleme hat auch die Familie, die ein Stockwerk über uns wohnt,
für die sich die Arbeit von Vater und Mutter kaum lohnt.
Das trifft nicht minder die Kinder, sie leiden schulisch am meisten,
die Eltern können sich weder die Zeit noch die Nachhilfe leisten.
Der Kapitalismus, der Wettbewerbsdruck sind ungnädig wie ein Taifun,
weshalb uns erst recht die Politiker stör’n, die reden, doch nie etwas tun.
Die Lösung für viele Probleme sehen wir im Internet.
Wir werden es denen noch zeigen! Doch erst mal geh’n wir zu Bett.