Die Macht

Die Macht

(2010)

Sie schreibt das Fettgedruckte und diktiert die Seite eins,
sie dekoriert im Rampenlicht die Welt des schönen Scheins.
Sie schläft mit reichen Säcken und betrügt sie allesamt,
sie schickt gern ihre Helfer und wird selber nicht erkannt.
Sie lässt sich gern bezahlen und sie spielt Monopoly:
Weil sie mit fremden Gütern spielt, verliert sie selbst fast nie.
Sie hat den größten Rachen und auch den längsten Arm,
zudem ist sie die Königin im Honigbienen-Schwarm.

Sie verführt, sie verurteilt, bestiehlt, unterdrückt,
wird verflucht und hochangeseh’n.
Sie wächst, sie verfällt, sie bewegt und beglückt.
Wer kann schon der Macht widersteh’n?

Sie gibt sich gern gebildet und sie liebt den Maskenball,
sie streckt auch mal ein Bein aus und bringt Tanzende zu Fall.
Sie ist der fiese Ohrwurm im Radio der Zeit,
sie ist das Totschlagargument in jedem großen Streit.
Sie ist die morsche Leiter, die bis zum Himmeln reicht,
und sie bestimmt die Farbe, in der man Segel streicht.
Sie steckt in allen Gliedern und sitzt oben drauf als Kopf,
in Filmen drückt sie ab und zu auf den roten Knopf.

Sie verführt, sie verurteilt, bestiehlt, unterdrückt,
wird verflucht und hochangeseh’n.
Sie wächst, sie verfällt, sie bewegt und beglückt.
Wer kann schon der Macht widersteh’n?

Sie dreht die Hähne auf und sie dreht die Hähne zu,
sie sagt zu ihren Opfern normalerweise „Du“.
Sie kocht auch nur mit Wasser, doch verkauft es gern als Wein,
wer Wein bloß aus Geschichten kennt, fällt darauf herein.
Sie sitzt direkt am Schalter, doch macht sie niemals Licht,
sie weiß schon morgen nicht mehr, was sie heut verspricht.
Sie macht die Menschen süchtig und sie schmeckt am besten pur,
sie ist der Druck von oben und sie stellt im Stress die Uhr.

Sie verführt, sie verurteilt, bestiehlt, unterdrückt,
wird verflucht und hochangeseh’n.
Sie wächst, sie verfällt, sie bewegt und beglückt.
Wer kann schon der Macht widersteh’n?

Sie lacht gern über andre, aber niemals über sich,
bei einem Lauf ins Freie ist sie der Seitenstich.
Sie ist der kalte Atem, an dem du dich verbrennst,
und sie schaut erbost, wenn du sie beim Namen nennst.