1. Feindlerthek
  2. Gedichte
  3. Die Ballade vom Überreichen

Die Ballade vom Überreichen

Die Ballade vom Überreichen

(2023)

Ein junger Mann – nicht irgendwer,
denn er war Multimilliardär –
mit Namen Marius C. Schmidt,
bezahlte jährlich seine Steuer,
doch war ihm keineswegs geheuer,
wie wenig er darunter litt.

Denn schon vor Jahren hatte ihm
ein kritisches Juristen-Team
geraten, Gelder zu verstecken,
bevor er sich in Kürze gräme,
dass ihm das Land fast alles nehme,
um so den Staatshaushalt zu decken.

Weil Schmidt jedoch schon auf der Matte
Juristen abgewimmelt hatte,
blieb sein Vermögen transparent.
Statt dass es aber – wie erwartet –
nun sank, war’s weiter ausgeartet
und wuchs und wuchs nur permanent.

Und ohne das verspürte Leiden
schien’s sinnlos, Steuern zu vermeiden –
im Gegenteil: Für Schmidt lag nah,
Vermögen stärker abzuschöpfen –
bloß gab es unter reichen Köpfen
fast keinen, der’s genau so sah.

Die Politik war offensichtlich
nicht sonderlich darauf erpicht, sich
auf dieses Thema einzulassen.
Aus diesem Grunde hatte Schmidt
beschlossen, sich im nächsten Schritt
ein Herz und einen Plan zu fassen:

Die Strategie dahinter war
recht simpel, einfach umsetzbar
und hieß vor allem: provozieren –
weil’s Schmidt nur folgerichtig schien,
man würde jemanden wie ihn
mit krassen Milliardärs-Allüren
dann nicht mehr länger ignorieren.

So schaffte sich der junge Mann
zunächst einmal Allüren an,
die kaum zu übersehen waren.
Zu diesen zählte eine Yacht,
verbunden mit dem Ziel, bei Nacht
Europas Flüsse abzufahren.

Und auf der Yacht stieg jederzeit –
besonders laut bei Dunkelheit –
die größte Party weit und breit,
wohin das fette Schiff auch kam.
Kein Ort, durch den es fuhr, verwehrte
der Yacht, dass sie dort laut verkehrte,
weil’s keinen Bürgermeister störte,
den Schmidt mit Spendengeld beehrte.
Die meisten nahmen’s ohne Scham.

Falls eine Brücke auf dem Fluss
den Weg versperrte, war nicht Schluss
mit diesen Partyfahrten, denn
dann ließ sie Schmidt ganz einfach sprengen
und rief: „Ich lass mich nicht beengen
von irgendwelchen Bauwerkzwängen!
Denn das ist, was ich Freiheit nenn!“

Und nicht nur das: Er kaufte sich
fast 160 Häuser – sprich:
ein ganzes Viertel einer Stadt
und schmiss danach aus jedem Haus
die Mietparteien einfach raus
und machte die Gebäude platt.

Er konnte tun und tat es auch
und sagte öffentlich: „Ich brauch
im Grunde nichts von alledem.
Es darf mir aber gern gehören,
dann kann ich’s mit Genuss zerstören.
Anscheinend ist das kein Problem.“

Gesetzlich war es das auch nicht,
doch sah sich Schmidt noch in der Pflicht,
die Ignoranz zu überwinden,
die ihm – ganz gleich, was er auch machte –
die Politik entgegenbrachte,
als würd sie gar nichts daran finden,

wenn jemand Reiches – so wie er –
ein Gegner des Gemeinwohls wär.
Und so beschloss er resigniert:
„Ab morgen werd ich einfach mein
Gesamtvermögen Schein für Schein
verbrennen, bis sich irgendein
Beamter dafür int’ressiert.“

Letztendlich ist ihm das gelungen.
Zwar hat man nie darauf gedrungen,
dass Schmidt den Unsinn lassen solle.
Doch seit sein Geld komplett verbrannt ist
und das auch längst dem Staat bekannt ist,
kriegt Schmidt von diesem nun das volle
Programm an Unterstützungsgeld,
das er jedoch nur dann erhält,
gibt Schmidt – das ist für ihn das Tolle –
dem Staat jetzt endlich mehr Kontrolle!