Machterhalt

Machterhalt

(2019)

Ein Mensch will gern die Welt verändern,
doch merkt, wie schwer das selbst in Ländern
mit allgemeinem Wahlrecht ist,
sodass er sogar kurz ermisst,
ob die Diktator-Karriere
vielleicht die beste Lösung wäre,
um wirklich etwas zu erreichen,
sprich: Gelder für den Krieg zu streichen,
auch kein Asylrecht aufzuweichen,
den Ökokollaps und dergleichen
im besten Falle zu verhindern
und Armutsrisiken zu mindern.
Doch hat der Mensch sich schnell entschieden:
Totale Herrschaft wird vermieden.
Er ist ja schließlich Demokrat
und überzeugt von einem Staat,
der als Sozial- und Rechtsstaat gilt,
mit einem freien Menschenbild.
So lässt er gar nicht auf sich warten,
als Nachwuchshoffnung durchzustarten,
steigt auf im Politikbetrieb,
verrät noch nicht mal ein Prinzip,
trifft, wenn er redet, stets den Ton,
erreicht die nächste Position,
und kommt – wer hätte das gedacht –
als neuer Kanzler an die Macht.
Der Mensch, der nun am Ziel sich wähnt,
hat sich schon lang danach gesehnt,
den eigenen Gestaltungswillen
mal als Regierungschef zu stillen.
Doch neben Macht, bemerkt er bald,
benötigt er den Machterhalt,
der Zeit und Kraft in Anspruch nimmt
und der den Menschen oft verstimmt,
zumal er sich gezwungen sieht,
auf manchem Politikgebiet
den eig’nen Kurs zu korrigieren,
um seine Macht nicht zu verlieren
und nächste Wahlen zu gewinnen,
wenn andere Intrigen spinnen.
Der Mensch kämpft deshalb heute kaum
noch für den anvisierten Traum,
stattdessen gegen Machtverlust.
Und wenn im angestauten Frust
ihm niemand zuhört, murmelt er:
„Ach, wenn ich doch Dikator wär.“