Die Ankunft des Prinzen
(2017)
Es war einmal ein fescher junger Mann,
dem seine Herkunft großen Glanz verlieh.
Er war – das sah man ihm von Weitem an –
der Nachfahr einer alten Monarchie.
Er galt als tapfer, vornehm und besonnen,
als Vorbild gar für jeden Kunz und Hinz,
und hatte ab und zu schon Geld gewonnen
in Form von Erbe, denn er war ein Prinz.
Er hatte aber, wie sich das gehörte,
nur selten auf der faulen Haut gelegen,
damit sich keiner aus dem Volk empörte,
er ruhe sich auf Reichtum aus. Von wegen!
Zwar hatte er – wie seine Ärzte meinten –
mit Muttermilch die Tugend aufgesaugt,
doch wer den Prinzen kannte, der verneinte,
der Junge hätte weniger gepaukt
als Kinder ohne Königsthron im Rücken.
Ihm blieb der Ernst des Lebens nicht erspart,
er musste ganz normal die Schulbank drücken
im englischen Elite-Internat.
Und als er mit der Schule fertig war,
studierte er noch fleißig BWL
in London, wo er mehr als annehmbar
(aus Sicht der Uni sogar „very well“)
den Abschluss machte, den er zwar nicht brauchte,
der aber zeigte: Dieser junge Mann
ist einer aus dem Volke, denn er tauchte
ins Leben ein und strengte sich dort an!
Doch schließlich kehrte er nach Haus zurück,
um seinen Prinzenpflichten nachzukommen.
Zu diesen zählte auch Familienglück
samt einer Maid, die er zur Frau genommen –
beziehungsweise bald schon nehmen würde;
die Hochzeit stand ja noch im Konjunktiv,
denn ihn erwartete als letzte Hürde
der Turm des Drachen, wo die Schöne schlief.
So ritt er wohlgemut und hoch zu Ross
in Richtung Turm, um sich im Kampf zu prüfen;
wobei er schon die Reise sehr genoss,
wenn Frau’n am Wegrand schmachtend nach ihm riefen.
Durch seine Haare wehte eine leichte
und kühle Brise, als er auf dem Gaul
den legendären Drachenturm erreichte.
Er merkte aber gleich: Hier ist was faul.
Es fehlte jede Spur vom Ungeheuer,
das hier angeblich wütete und lebte.
Man fand hier nur ein friedliches Gemäuer,
an dem ein Zettel mit den Zeilen klebte:
„Verehrter Prinz, ich war das Warten leid,
ich hab ja nicht mein ganzes Leben Zeit.
Auch schnarchte dieser Drache unentwegt,
drum hab ich ihn vor Wochen schon erlegt
und hab nun endlich wieder meine Ruhe.
Der Rest liegt drinnen in der Tiefkühltruhe.
Terminlich war es leider unkonkret,
wann Ihr, Herr Prinz, an dieser Pforte steht;
so habe ich mir grad für wenig Geld
ein Taxi in die nächste Stadt bestellt.
Ich nehme an, Ihr könnt das nachvollziehen,
nun kann ich schneller diesem Turm entfliehen,
denn Euer Pferd legt höchstens ein PS hin.
Macht’s gut. Es grüßt Euch freundlich die Prinzessin.“
Der Angekommene war erst gekränkt.
Er hatte schließlich ziemlich viele Meilen
zurückgelegt und hätt sich’s gern geschenkt,
für Zeilen der Prinzessin herzueilen.
Er musste aber bald schon drüber lachen
und konnt sich an die eig’ne Nase fassen:
Er würde es bestimmt ganz ähnlich machen,
nur sicher keine Nachricht hinterlassen.