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Kontrollierte Freiheit

Kontrollierte Freiheit
(2015)

einleitendes Gedicht

Der Nachrichtenüberbringer

Einst kam in einem fernen Land
ein Mann zum Königshof gerannt
und klopfte panisch an das Tor.
Er flehte: „Eure Majestät!
So öffnet! Es ist sonst zu spät!
Ach, leiht mir bitte Euer Ohr!“

Ein Wächter öffnete dem Mann
und sah ihn skeptisch musternd an,
bevor er sagte: „Komm schon rein.“
Der König, der den Mann empfing
und müde auf dem Throne hing
sprach gähnend: „Muss es heute sein?“

„Und ob!“ entfuhr’s dem Gegenüber,
„Es tut mir leid. Es wär mir lieber,
ich wüsste nichts von diesen Taten:
Ihr kennt die Genfer Konvention
und gegen die verstoßen schon
seit Jahren unsere Soldaten.

Die Fotos, die das unverhohlen
beweisen, habe ich gestohlen
und lege sie Euch hiermit vor.
Die Täter sind da auch zu sehen.
Bestraft sie nun für die Vergehen,
denn dafür klopfte ich ans Tor!“

Auf einmal war der König wach:
„Du glaubst im Ernst, dass ich das mach?
Das müsstest Du doch besser wissen:
Erst hast Du unsere Soldaten
bestohlen und danach verraten –
wie hinterhältig und gerissen!

Die Nachricht kam zum Glück nicht weit,
sonst würde sie die Sicherheit
der Kämpfer nur noch mehr gefährden.
Der Feind sucht stets nach Angriffsgründen
und würde er die Fotos finden …
Ach, spar Dir sämtliche Beschwerden!

Ein Mensch wie Du – und kein Soldat –
ist Risiko für unsern Staat!
Und deshalb sollst Du dafür büßen!“
Der andre reagierte schier
verwirrt: „Trotz Mühe will sich mir
die Logik einfach nicht erschließen …“
Worauf die Wachen zügig kamen
und jenen Boten mit sich nahmen,
um ihn im Anschluss zu erschießen.

Wer hier das Happy End vermisst,
ist wohl zu Recht sehr angepisst.

Conférence

Natürlich wird bei uns heute niemand mehr standrechtlich erschossen, nur weil er oder sie gewisse Sachen ausplaudert. Standrechtliche Erschießungen würde ein Friedensnobelpreisträger wie die EU gar nicht zulassen. Und wenn doch, sollten wir ehrlich zugeben: Die Ausplauderer wären selbst Schuld. Eigentlich können wir uns solche Leute auf der Gewinnerseite gar nicht leisten. Wer den Menschen zum Beispiel erzählt, sie würden von ihren Geheimdiensten ausspioniert, gefährdet damit nicht bloß die innere Sicherheit, wie wir längst wissen. So jemand gefährdet einen Grundpfeiler unserer Demokratie: die Freiheit! Und frei ist nicht etwa derjenige, der tun kann, was er will, sondern derjenige, der wollen kann, was er tun soll. Denn Freiheit darf es in einer Demokratie nie ohne Verantwortung geben. Und Verantwortung ist bekanntlich eine Sache der Erziehung. Wenn Geheimdienste Ihre Bürgerinnen und Bürger bespitzeln, handelt es sich dabei um nichts anderes als eine gut gemeinte Erziehungsmaßnahme. Wer hätte denn früher regelmäßig seine Hausaufgaben gemacht, wenn keine schlechten Schulnoten gedroht hätten? Welches Kind würde freiwillig sein Zimmer aufräumen, wenn es nicht den Liebesentzug der Eltern fürchtete? Klar, ist das eine subtile Form von Gewalt. Aber eine gut gemeinte. Denn wer kontrolliert wird, wird sich seiner Verantwortung bewusst. Kontrolle verhindert schlechte Gewohnheiten.
Einfaches Beispiel: Wenn ich täglich vor dem Rechner hocke und Fast Food in mich reinstopfe, ist das gegenüber mir selbst verantwortungslos. Wenn ich aber weiß, dass meine Laptopkamera mein Verhalten mitfilmt und das Risiko besteht, dass die Bilder mit dem ungesunden Fraß eines Tages bei meiner Krankenversicherung landen, schalte ich den Rechner beim Essen künftig aus und die Tastatur bleibt sauber. Oder andere Situation: Angenommen, ich plane eine Behörde in die Luft zu sprengen. Rein hypothetisch. Solange ich mich über das Internet kontrolliert fühle, werde ich den Sprengstoff bestimmt nicht bei einem ausbeuterischen Logistikunternehmen im Netz bestellen. Stattdessen werde ich diese schlechte Angewohnheit ablegen und zum lokalen Waffenhändler meines Vertrauens gehen.
Erst dann, wenn mich die Erziehung durch Kontrolle zu einem verantwortungsvolleren Menschen gemacht hat, werde ich die Freiheit wirklich zu schätzen wissen.

abschließendes Lied

Wo ein Wille ist

Er hat vor langer Zeit bereits beschlossen:
Eines Tages wird zurückgeschossen!
Er kennt für seinen Kampf bereits das Ziel,
obwohl kein Schuss von dieser Seite fiel.
Das kann ihm seine Pläne nur erschweren:
denn um andern Kriege zu erklären,
sollte er den Angriff gut begründen,
doch blöderweise ist kein Grund zu finden.
Und just in dem Moment, als er es braucht,
ist beim Gegner etwas aufgetaucht:
Giftgas oder andre schlimme Waffen.
Als Grund zum Angriff scheint das wie geschaffen!

Das liefert wieder einmal den Beleg:
Wo ein Wille ist, findet sich ein Weg.

Er hat als Unternehmer schon seit Jahren
Erfolge und Gewinne eingefahren
und ähnlich lange stört ihn schon am Staat
der riesige Verwaltungsapparat.
Er meint, dass das den Bürgern wenig bringe,
stattdessen aber sehr viel Geld verschlinge;
das Ganze habe schon so manchen Wert,
den er geschaffen habe, rasch verzehrt.
So hat er sich seit Jahren aufgeregt
und nun ein neues Konto angelegt –
der deutsche Staat zieht davon nichts mehr ein,
denn Steuern zahlt er jetzt in Liechtenstein.

Das zeigt mal wieder: ist ein Wille da,
sind die Wege Richtung Ziel besonders nah.

Der Fortschritt bricht sich technisch neue Bahnen,
die Zukunft lässt sich heute kaum erahnen:
Mit Internet und digitalem Fluss
ist bekanntlich lange noch nicht Schluss.
Im Gegenteil: Es wächst im großen Stil
und technisch ist es längst ein Kinderspiel
zu speichern, was im Internet passiert,
und was ein Mensch zur Zeit im Netz vollführt.
Wir wissen selbst, dass unsre Nutzerdaten
rein theoretisch einiges verraten –
man könnte ja sogar überwachen …
Wer soll sich aber diese Arbeit machen?

Doch fest steht, dass der Umkehrschluss auch gilt:
Wo ein Weg ist, ist auch irgendwer gewillt!