PISA-Schock

PISA-Schock
(2012)

Conférence

Seit Anfang des neuen Jahrtausends kommt ja endlich mehr Schwung ins deutsche Bildungssystem – dank PISA-Schock. Ich bin froh, dass ich die PISA-Studie während meiner Schulzeit erleben durfte. Sie hat uns allen mehr Sicherheit gegeben. Auch den Lehrern. Die wissen jetzt endlich, welcher Lernstoff wichtig und welcher überflüssig ist. Das war ja vorher überhaupt nicht klar. Es gab sogar einzelne Lehrer, denen in erster Linie wichtig war, dass die Schüler gerne in ihren Unterricht kommen; Lehrer, die behaupteten, die Bildung würde sich schon von selbst irgendwann zeigen, wenn nur die Persönlichkeit der Kinder gestärkt würde. Das war damals eine völlig willkürliche und naive Herangehensweise. Und genau deshalb war es höchste Zeit für PISA.
Laut offizieller Konzept-Unterlagen zielt die Studie auf rein zweckorientiertes Denken und die wirtschaftliche Verwertbarkeit von funktionalem Wissen ab. Das ist doch endlich mal eine klare Ansage! Kein schwammiges Zeug von irgendwelchen Reformpädagogen, die uns was von Persönlichkeitsbildung erzählen wollen. Hinter PISA stecken Leute, die Ahnung von unserer Zeit haben, die wissen, worauf es ankommt; nämlich keine Pädagogen, sondern die OECD – die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Organisation schafft es durch diese Tests endlich, das deutsche Bildungssystem in eine Richtung zu lenken. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das steht bereits in den dazugehörigen Unterlagen – ich zitiere:
„Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die PISA-Tests mit ihrem Verzicht auf transnationale curriculare Validität und der Konzentration auf die Erfassung von Basiskompetenzen ein didaktisches und bildungstheoretisches Konzept mit sich führen, das normativ ist.“
Gut, das ist etwas sperrig formuliert. Aber eigentlich sagt die OECD damit nur: „Es ist uns scheißegal, wie die Bildungskonzepte in Euren Ländern aussehen, ab heute folgt Ihr sowieso unserm Konzept.“ Das ist keine allzu schwere Aufgabe. Auf Dauer sorgt PISA für Entspannung im deutschen Bildungssystem, indem uns die OECD anstrengende Denkarbeit abnimmt. Deshalb steht fest:

abschließendes Gedicht

Wenn jemand Kinder mag

Wenn jemand Kinder wirklich mag
und ihre freien Geister schätzt
und sich bewusst an jedem Tag
mit ihnen auseinandersetzt,

wenn jemand Kindern zeigen will,
dass Freundschaft Egoismus schlägt,
dass Leistungsdruck und jeder Drill
nach vorne schubst, doch niemals trägt,

wenn jemand Kinder unterstützt
und will er keinesfalls gefährden,
was kindlicher Entfaltung nützt –
dann sollte er nicht Lehrer werden.