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Umweltschutz im Alltag

Umweltschutz im Alltag
(2019)

einleitendes Lied

Revolution in den eigenen vier Wänden

Wer früher politisch kämpfte, hat es selten weit geschafft.
Selbst mit Glück und etwas Mühe nur bis in Untersuchungshaft …
Für erkennbare Erfolge war das ernsthaft ein Problem.
Wir haben draus gelernt – und starten einen Aufstand mit System:

Am Anfang war’s nur Obst von Bauern aus der Region,
rasch ging es weiter mit Kaffee für fairen Lohn,
wenig später stieß uns eine vegane Diät
auf Gemüse in Demeter-Qualität.
Bald stellten wir uns vor, dass irgendwo ein Kind
wieder lächeln kann, wenn wir noch konsequenter sind.
Wir fanden ziemlich schnell Gefallen daran
und fingen mit Veränderung zu Hause an:

Wir machen Revolution in den eigenen vier Wänden,
Revolution, um die Ohnmacht zu beenden,
die jeder kennt, sobald ihn diese Ahnung beschleicht,
dass er mit lauten Protesten viel zu wenig erreicht.
Wir machen Revolution in den eigenen vier Wänden,
Revolution, um Signale zu senden,
bis es im Gebälk der Gesellschaft kracht,
denn wir Verbraucher haben die Macht!

Wir werfen prophylaktisch unsern Kleiderschrank weg,
alles Plastik, was wir haben, von Geschirr bis Besteck.
Uns von Dingen zu trennen, fällt uns gar nicht schwer,
denn danach geh’n wir shoppen – aber öko und fair.
Früher haben wir uns auf der Straße engagiert,
bis wir merkten, dass man damit nur Zeit verliert,
die man braucht, wenn man alle Etiketten liest,
bevor man sich zum Kauf von Produkten entschließt.

Wir machen Revolution in den eigenen vier Wänden,
Revolution, weil wir’s richtig fänden,
würden alle Menschen so leben wie wir.
Mit dieser Art zu leben beginnen wir hier!
Wir machen Revolution in den eigenen vier Wänden,
Revolution, um keine Zeit zu verschwenden.
Und wir wissen, das kein Medium uns niederschreibt,
solange die Revolution Privatsache bleibt.

Willst Du etwas bewegen, sei radikal!
Denn du selbst hast die Wahl dank Kapital!
Früher kam erst das Fressen und dann die Moral,
heut geht beides zugleich vor dem Bio-Regal!

Wir machen Revolution in den eigenen vier Wänden,
Revolution, uns schrecken keine horrenden
Summen für den besseren Lebensstil.
Bei der Rettung der Welt gibt es kein „zu viel“!
Wir machen Revolution in den eigenen vier Wänden,
Revolution, um die Botschaft zu senden:
Geht die Welt mal unter im großen Tumult,
trifft uns das persönlich auch – doch gewiss keine Schuld.

Conférence

Meine Freundin Lena sagt ja immer: Wir können persönlich sooo viel machen. Und sie versucht es jeden Tag aufs Neue – trotz der vielen Rückschläge. Ganz ehrlich, ich bewundere das auch. Neulich war ich mit ihr in der Stadt unterwegs und sie wollte einen Kaffee trinken: Wir gehen also zur nächsten Bäckerei, Lena bestellt einen Coffee-to-go und stellt ganz vorbildlich ihren mitgebrachten Mehrwegbecher auf den Tresen. Die Frau hinter der Theke schaut Lena fragend an und meint: „Wissen Sie, wie viel da rein geht? Ist das ’n großer oder ’n kleiner Kaffee?“ Lena so: „Ich glaub, ein großer.“ Daraufhin überlegt die Frau hinter der Theke kurz, greift dann nach einem großen Wegwerf-Becher, füllt ihn mit Kaffee, gießt den Kaffee von dort aus in Lenas mitgebrachten Mehrweg-Becher und wirft anschließend den benutzten Becher weg. „Passt so?“
Das war der Moment, in dem Lena endgültig den Glauben an die Menschheit verloren hat. Wir reden seitdem häufiger über deutlich radikalere Umweltschutzmaßnahmen.

abschließendes Gedicht

Angriff aus der Tiefe

Marie tut viele ehrenwerte Dinge,
auf dass die Rettung dieser Welt gelinge,
und ließe sie es selbst dabei bewenden,
statt sich zu fragen, was das alles bringe,
dann könnt man die Geschichte hier beenden,
weil es mit Immergleichem weiterginge.

Doch eines morgens geht’s Marie nicht gut,
weil sie der schreckliche Verdacht beschleicht,
dass das, was sie seit vielen Jahren tut,
zum Umweltschutz nichts ansatzweise reicht.

„Die Welt“, beschließt Marie, „soll bald begreifen:
Wie schlimm’s auch um sie steht, ich rette sie!“
Und so beginnt in ihr ein Plan zu reifen –
ein Plan voll krimineller Energie.

Ganz unbescheiden fühlt Marie sich mündig
zu kämpfen – auf Verderben und Gedeih.
In Urgroßvaters Keller wird sie fündig.
Da ruht verstaubt, doch technisch einwandfrei,

ein Kriegsgefährt, das man vergessen hat.
Marie schaut für die kommende Mission
noch schnell den Film „Das Boot“ (Director’s Cut)
und plant im Anschluss ihre Tauchstation.

Zu selten haben Menschen für den Frieden
versucht, ein Schwert zur Pflugschar umzuschmieden.
So hat Marie sich ganz bewusst entschieden:
Sie macht bei schönstem sommerlichem Wetter
das U-Boot aus dem Krieg zum Klimaretter,
indem sie es zu Kreuzfahrtschiffen lenkt
und die Giganten nach und nach versenkt.
Statt alle, die gern eine Kreuzfahrt buchen,
mit Klima-Argumenten zu ersuchen,
um dann auf Einsicht und Verzicht zu setzen,
will sie die Diskussion nicht überschätzen.
Denn argumentativ ist’s effizienter,
knallt sie die Schiffe ab und ruft: „Jetzt kenter!“
Ob auf der freien See, ob an den Küsten:
Ihr Urteil über die Pauschaltouristen
hat sie für sich bereits pauschal gefällt.
Was tut man nicht zur Rettung dieser Welt!

Soweit der große Plan. Doch weil Marie
das U-Boot nicht alleine schleppen kann,
bleibt alles voerst eine Phantasie.
Steht aber wieder eine Kreuzfahrt an,

und überlegt Ihr ernsthaft mitzufahren –
so haltet inne, denn Ihr wisst Bescheid:
Womöglich macht sich in den nächsten Jahren
im Wasser zwischen Sylt und Balearen
ein U-Boot für den Klimaschutz bereit.